Da stehst du also in deiner karminroten, verführerischen Pracht, wobei karminrot nur den dilettantischen Versuch bezeichnet, deinem Spektrum an Wellenlängen irgendwie gerecht zu werden, um dem Gefühl einen Namen zu geben. Dein Kleid in Grüntönen von Smaragd über Tanne und Moos bis zu dem zarten, in einem Nebel verschwindenden Grün, das an Pistazieneis erinnert, trägt dich in erhabener Demut und ich blicke zum Himmel, um noch den letzten Blick auf den Engel zu werfen, der dich da hingestellt haben muss und mir kommt der Gedanke, dass karminrotes Gefühl wie Heimat sein muss.
Ich betrete das Gedankenkarussell, gewappnet mit einem 10er-Block und überlasse den Assoziationen den Platz am Schaukelpferd. Wieso denke ich bei deinem Anblick an Heimat? Ist es Sehnsucht oder weiß man doch mehr, als es das gegenwärtige Bewusstsein zulässt? Was machst du Schönheit mit mir? Triggert mich Karminrot oder Sehnsucht?
Dieser Augenblick versprüht eine Melange aus Melancholie und Gewissheit. Erwartungsvolle Freude legt sich wie ein sanfter Schleier über meine Lippen, die den Geschmack ahnend, sich schon leicht öffnen, aber dieses Erleben, das so vertraut des Weges kommt, lässt sich weder schmecken noch fassen. Ich tauche ein in den Duft deiner Blüte und Erinnerungen an Kindertage stehen schulterklopfend neben mir. So fühlt sich Heimat an. Doch gleichzeitig wird mir bewusst, dass Heimat weder etwas mit der Kindheit, noch mit dem Duft oder einem Ort zu schaffen hat. Heimat ist vielmehr ein Ankommen, ein Zuhause sein, sich geborgen fühlen, Ruhe finden, unabhängig von Zeit, Raum oder anderen Personen.
Wir Menschleins assoziieren halt immer im Außen, weil wir indoktriniert wurden, es so zu sehen. Keiner da, der uns hinweist auf die Innenwelt zu achten, zu spüren, was das innerste Selbst eigentlich ausmacht. Wir haften immerzu der Materie an, glauben im Begreifen und Messen alleine steckt schon die Wahrheit, erklären die Welt mit Formeln und wissen, dass wir nichts wissen. Das Gefühl, das bleibt, ist heimatlos.
