Il Duo infernale – Text von Daniel Pissecker

Dieser Text wurde von meinem Sohn Daniel Pissecker, anlässlich der Hochzeit seiner Schwester Romina geschrieben.

Noch waren wenige Stunden vergangen, seit Romina am 9. August des Jahres 1989 das Licht der Welt erblickt hatte, da erzürnte sie ihren großen Bruder Daniel erstmals bis zur Weißglut: Kaum war er an jenem fremden Ort der Niederkunft endlich zur geliebten Mutter vorgelassen, mussten seine kleinen Argusaugen feststellen, dass just an der wohlig vertrauten Brust der Frau Mama ein schreckliches Schauspiel vonstattenging, das ihn unter lautem Aufstöhnen und einem schallenden, "Nein!" blitzartig die andere Brust erklimmen ließ. So leicht würde er sich schließlich mitnichten ausbooten lassen und so folgte auf dieses erste Abtasten, zu seinem großen Glück, eine Phase, die wohl unter heutigen Gesichtspunkten von jeder Marktaufsichtsbehörde als grobe Wettbewerbsverzerrung bewertet werden müsste.

Retrospektiv gelten die frühen Neunziger-Jahre zwischen Fall der Berliner Mauer und Internet-Boom freilich keineswegs umsonst als der Wilde Westen unter den Dekaden. So darf es nicht weiter überraschen, dass die Eltern es für eine besonders entzückende ldee hielten, einen Zwillingswagen anzuschaffen, in dem sie das zierliche, neugeborene Geschöpf Romina Kopf an Kopf an das um ein Jahr älteren Ungetüms Daniel (Spitzname: Herodes) betteten. Selbsterklärend hatte die neue, herrschaftliche Equipage mit einem level playing field so viel am Hut, wie der Vorarlberger Wirtschaftsbund mit Korruptionsbekämpfung. Schlagkraft und Reichweite Daniels waren nämlich aufeinander abgestimmt wie die Rädchen eines Schweizer Uhrwerks, sodass auf den zahllosen Spaziergängen rund um den Langenzersdorfer Badeteich in äußerst regelmäßigen Abständen Punktesiege verbucht werden konnten. Der Name des Badeteichs dürfte hierfür als Programm gegolten haben: Die Seeschlacht.

Bald aber machte sich jener Wickieesque Wesenszug Rominas bemerkbar, der die kommenden Jahre über prägend sein sollte. Anstatt sich vom starken Mann an ihrer Seite weiterhin derart grobe Gemeinheiten gefallen zu lassen, verstand sie es geschickt, diesen für ihre eigenen, zusehends kunstaffinen, Machenschaften einzuspannen. Beispielhaften Einblick in Rominas künstlerische Agide vermag die folgende Episode zu gewähren:
Die tägliche Ration Karottensaft im Nuckelflascherl ließ sie Daniel unter ihrer Anleitung in bester Jackson -Pollock-Manier auf der frisch und in strahlendem Weiß tapezierten Wohnzimmerwand aufbringen. Für die orchestrale Untermalung dieses Orgien-Mysterien-Theaters zeichnete sie höchstpersönlich verantwortlich und verband ihre Zurufe und ihr befeuerndes Geklatsche gleichsam zu einer organischen Diabolik.
Nicht minder radikal fiel die darauffolgende Phase performativer Kunst aus, die gekonnt Anleihe aus der Flower-Power-Bewegung zu nehmen schien: Komplett entkleidet und mit nichts weiter als der in Kübeln abgefüllten hauseigenen Sandkiste beladen, machte sich das Paar zuallererst über zwei Reihen Maschendrahtzaun hinweg wohl um die Eigentumskonzeptionen vermeintlicher Vorstadtidylle als Vorhölle neuer Spießbürgerlichkeit zu demaskieren. Im nachbarschaftlichen Garten der liebenswerten, älteren Dame zwei Hauser weiter angelangt, setzte sich ihr performativer Akt sogleich im schmucken Wohnzimmer fort und fand seinen ultimativen Höhepunkt in Sandergüssen über dem Perserteppich.


Und wer wissen möchte, wer Romina ist, findet hier die Bilder von der Hochzeit.

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